In Deutschland soll die ortsübliche Vergleichsmiete reformiert werden. Dieser kommt eine zentrale Rolle bei der Mietgestaltung zu. Entsprechend wichtig ist die Ausgestaltung des zugrundeliegenden Mietspiegels, der einer wissenschaftlichen Überarbeitung bedarf, wie dieser Beitrag zeigt. Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMVJ) bereitet zurzeit eine Reform der ortsüblichen Vergleichsmiete vor. Diese bestimmt zum einen die maximal zulässige Höhe für Mieterhöhungen in laufenden Mietverträgen (§ 558(I) BGB) und zum anderen begrenzt sie in angespannten Wohnungsmärkten bei Vorliegen einer entsprechenden Rechtsverordnung die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn (§556d (I) BGB, Ausnahmen §§ 556e-f BGB). Damit kommt der ortsüblichen Vergleichsmiete eine zentrale Rolle bei der Mietgestaltung zu. Mietverträge sind durch Informationsasymmetrien, Unvollständigkeit, hohe Transaktionskosten und spezifische Investitionen beider Seiten in die Vertragsbeziehung gekennzeichnet. Moderate Begrenzungen von Mieterhöhungsspielräumen in laufenden Mietverträgen können vor diesem Hintergrund die folgenden positiven Effekte haben: 1) können sie Informationsasymmetrien und Transaktionskosten verringern, weil sie eine Orientierung bei Mietpreissteigerungen geben. Zudem sinken Kostenrisiken aufgrund von Rechtsstreitigkeiten.
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In Deutschland soll die ortsübliche Vergleichsmiete reformiert werden. Dieser kommt eine zentrale Rolle bei der Mietgestaltung zu. Entsprechend wichtig ist die Ausgestaltung des zugrundeliegenden Mietspiegels, der einer wissenschaftlichen Überarbeitung bedarf, wie dieser Beitrag zeigt.
Das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMVJ) bereitet zurzeit eine Reform der ortsüblichen Vergleichsmiete vor. Diese bestimmt zum einen die maximal zulässige Höhe für Mieterhöhungen in laufenden Mietverträgen (§ 558(I) BGB) und zum anderen begrenzt sie in angespannten Wohnungsmärkten bei Vorliegen einer entsprechenden Rechtsverordnung die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn (§556d (I) BGB, Ausnahmen §§ 556e-f BGB). Damit kommt der ortsüblichen Vergleichsmiete eine zentrale Rolle bei der Mietgestaltung zu.
Mietverträge sind durch Informationsasymmetrien, Unvollständigkeit, hohe Transaktionskosten und spezifische Investitionen beider Seiten in die Vertragsbeziehung gekennzeichnet. Moderate Begrenzungen von Mieterhöhungsspielräumen in laufenden Mietverträgen können vor diesem Hintergrund die folgenden positiven Effekte haben: 1) können sie Informationsasymmetrien und Transaktionskosten verringern, weil sie eine Orientierung bei Mietpreissteigerungen geben. Zudem sinken Kostenrisiken aufgrund von Rechtsstreitigkeiten. 2) können Vermieter die Immobilität des Mieters nicht ausnutzen, indem sie die Miete über das Marktniveau hinaus erhöhen. Und 3) erhalten die Mieter eine Versicherung gegen Mietpreisspitzen und -schwankungen. Die Argumentation gilt jedoch nur für laufende Verträge und stellt keine Begründung für Mietpreisbegrenzungen bei Mietbeginn dar. Zudem kann es zu negativen Effekten durch weniger Neubau und geringere Instandhaltungen kommen, wenn die Vermieter keine marktorientierte Rendite mehr erzielen können.
Es drängt sich die Frage auf, ob die aktuelle Begrenzung von Mieterhöhungen in laufenden Verträgen auf die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete im Saldo positive Effekte zeitigt. Die Antwort hängt unmittelbar von der Relation von ortsüblicher Vergleichsmiete zur Marktmiete ab. Die Vergleichsmiete ist ein juristisches Konstrukt, das die übliche Miete für vergleichbare Wohnungen innerhalb einer Gemeinde wiedergibt (§ 558 (II) BGB). Es handelt sich um eine "marktorientierte, modifizierte Durchschnittsmiete". Sie soll zum einen unterhalb der Marktmiete liegen (normative Komponente) und zum anderen soll sie sich an der empirisch beobachtbaren Marktmiete orientieren. Die Vergleichsmiete ist also weder ein Instrument zur Durchsetzung politisch erwünschter "bezahlbarer" Mieten noch ist sie mit der Marktmiete oder gar Angebotsdaten aus Online-Portalen gleichzusetzen.
Grosse Qualitätsunterschiede
Die ortsübliche Vergleichsmiete wird meistens mit der Erstellung eines Mietspiegels bestimmt (§ 558a (II) BGB). Die anderen zulässigen Alternativen (Mietdatenbank, Gutachten, Vergleichswohnungen) sind in der Praxis weniger relevant. Es wird zwischen einfachen und qualifizierten Mietspiegeln unterscheiden. Für einfache Mietspiegel gibt es keine methodischen Vorgaben (§ 558c (I) BGB). Qualifizierte Mietspiegel hingegen sollen nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt werden (§ 558d (I) BGB). Den qualifizierten Mietspiegeln kommt eine große prozessuale Bedeutung zu, weil die Gerichte davon ausgehen, dass diese die tatsächliche Vergleichsmiete abbilden. Allerdings zeigen sich auch bei den qualifizierten Mietspiegeln große Qualitätsunterschiede.
Empirische Studien stellen ein Auseinanderdriften von Mietspiegelangaben und der meist über Angebotsmieten geschätzten Marktmiete fest. Gleichzeitig stehen Mietspiegel immer häufiger im Zentrum rechtlicher Auseinandersetzungen. Ein wesentlicher Kritikpunkt ist, dass die übliche Stichprobengröße bei der Mietspiegelerstellung für repräsentative Aussagen nicht ausreichend sei. Allerdings wird dabei verkannt, dass die Repräsentativität einer Stichprobe hauptsächlich davon abhängt, ob jedes Element der Grundgesamtheit (hier: jeder neugeschlossene Mietvertrag bzw. jede Mieterhöhung in den letzten vier Jahren) dieselbe Chance hat, in die Untersuchung einzufließen. Die Stichprobengröße ist im Wesentlichen für die die Wahrscheinlichkeit, mit der die gesuchte Größe (hier: die Vergleichsmiete) von der Stichprobe abgedeckt wird, relevant. Die Zuwächse bei der Aussagegüte nehmen mit steigendem Umfang der Stichprobe ab bzw. sind von der Größe der Grundgesamtheit nahezu unabhängig. Daher können auch mit relativ gering erscheinenden Stichprobenumfängen gültige Aussagen gewonnen werden – vorausgesetzt: Die Stichprobe ist repräsentativ.
Stichprobenproblematik
In der Mietspiegelerstellungspraxis ist die Repräsentativität der Stichprobe das Hauptproblem. Die Rücklaufquote bei Befragungen liegt meist um die 50 Prozent. Systematische Verzerrungen von Mieter- und Vermietergruppen, die sich hinsichtlich der Miete strukturell unterscheiden, sind nicht auszuschließen bzw. naheliegend. So sind die Rückläufe bei (kommunalen) Wohnungsunternehmen sehr hoch, während die quantitativ bedeutsamere Gruppe der privaten Vermieter eine geringere Beteiligung aufweist. Zudem könnten bestimmte Persönlichkeitsmerkmale privater Vermieter sowohl deren Antwortbereitschaft als auch deren Mietgestaltung beeinflussen. Auch bei Mietern ist anzunehmen, dass bestimmte Gruppen den umfangreichen Fragebogen eher ausfüllen als andere.
Daher wird alternativ vorgeschlagen, auf Internetportalen gewonnene Angebotsdaten zu nutzen, weil diese gerade in angespannten Wohnungsmärkten mit der später tatsächlich vereinbarten Miete übereinstimmten. Das mag zutreffend sein, allerdings werden dabei mögliche Verzerrungen der Datengrundlage vernachlässigt, wodurch die Repräsentativität eingeschränkt wird.link7 Internetportale erfassen z. B. keine Vermietungen durch mündliche Empfehlungen oder in Reaktion auf Mietgesuche von Mietern. Diese können sich aber systematisch von den in den Portalen inserierten Angeboten unterscheiden. Zudem wird meist implizit die Marktmiete (gemessen über die Angebotsdaten) mit der Vergleichsmiete gleichgesetzt. Das wird aber der Intention des Gesetzgebers nicht gerecht.
Der überzeugendste Vorschlag stammt von Lerbs/Steffen. Die Autoren schlagen vor, bei der verpflichtenden Meldung von neuen Vermietungsverhältnissen auf den Einwohnermeldeämtern auch Daten zur Miethöhe, Ausstattung und Lage der Wohnung zu erfassen. Dies käme einer Totalerhebung nahe und würde die Stichprobenverzerrung auf ein Minimum reduzieren. Die damit verbundenen Kosten sollten zudem mittel- bis langfristig nicht höher (eher deutlich niedriger) liegen als bei den heute üblichen Stichprobenverfahren. Da die Meldung sowohl vom Mieter als auch vom Vermieter unterzeichnet werden muss, ist ein Missbrauch ausgeschlossen. Datenschutzrechtliche Bedenken müssen ernstgenommen werden, sollten aber bei entsprechender Umsetzung lösbar sein. Auch muss der Datenschutz gegen die Rechtsfolgen unzureichender Methoden zur Bestimmung der ortsüblichen Vergleichsmiete abgewogen werden.
Die Ermittlung der Marktmiete ist aber nur der erste Schritt zur Vergleichsmiete. Ausgehend von der Marktmiete sollte ein Gremium mit Vertretern von Politik, Mietern und Vermietern einen Abschlag festlegen, den die Vergleichsmiete hinter der Marktmiete zurückbleiben soll. Dieses Vorgehen hat den großen Vorteil, dass es transparent ist. Das Gremium müsste seine Entscheidung begründen und verantworten. Auch heute haben diese Gruppen einen großen Einfluss auf die Höhe der Vergleichsmiete. Allerdings müssen sie ihr Wirken nicht begründen, da es aufgrund des intransparenten Verfahrens nicht beobachtbar ist. Ein Beispiel ist der Einfluss der heute berücksichtigten Mietanpassungen in bestehenden Verträgen. Diese können nur bis zur Höhe der Vergleichsmiete vorgenommen werden und bleiben damit zwingend hinter der Marktmiete zurück. Weil es keine verbindliche Vorschrift gibt, wie Neuvermietungen und Änderungen in laufenden Verträgen gewichtet werden sollen, kann die Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete hierüber manipuliert werden.
Das BMVJ plant, methodische Vorgaben für die Erstellung qualifizierter Mietspiegel zu machen, um diese "gerichtsfest" zu gestalten. Das ist im Hinblick auf mehr Rechtssicherheit zu begrüßen, allerdings ist es fraglich, ob das Ministerium die richtige Instanz für solche Vorgaben ist. Insbesondere die Bewertung der Auswertungsmethode (Tabellenmietspiegel, hedonische oder räumliche Regressionsmodelle etc.) sollte Gegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung sein und in die Vorgaben einfließen. Denkbar wäre ein Expertengremium aus Ökonomen und Juristen, das in regelmäßigen Abständen die Vorgaben dem aktuellen Stand der Forschung anpasst.
Fazit
Die Vergleichsmietenregelung ist ein grundsätzlich sinnvolles Instrument zur Regulierung der Mieterhöhungen in laufenden Mietverträgen. Sie ist weder mit der Marktmiete gleichzusetzen, noch darf sie aus sozialpolitischen Erwägungen heraus von der Marktmiete entkoppelt werden. In einem transparenten Verfahren könnte die Marktmiete treffsicher und kostengünstig im Rahmen einer Totalerhebung der Neuvermietungsvorgänge eines bestimmten Zeitraums bestimmt werden. Von der Marktmiete müsste dann in einem transparenten Verfahren ein Abschlag vorgenommen werden, der von den verantwortlichen Entscheidern vertreten werden muss.
©KOF ETH Zürich, 14. Sep. 2016