Orange, blau, gelb: Die Mietvelos können mit dem Handy aufgeschlossen werden. Foto: Jason Lee (Reuters) Wer derzeit eine Grossstadt in China besucht, dem wird eines auffallen: Fahrräder. Sie sind überall. Nein, nicht die alten Drahtesel, die einst das Bild in vielen chinesischen Städten prägten, sondern nagelneue, moderne, farbenfrohe Fahrräder: orange, gelbe, blaue, grüne, silberne Velos. Sie stehen zu Tausenden an Kreuzungen, in Pärken, auf Trottoirs. Studenten kurven auf ihnen durch die Strassen, alte Frauen, Banker, junge Paare, Kinder, Händler. Alle. China erlebt seit einigen Monaten einen Bikesharing-Boom. In den Strassen von Peking bis Guangzhou, von Chengdu bis Shanghai rollen Millionen neue Fahrräder. In einzelnen Städten soll, so zumindest die Legende, bereits die
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Wer derzeit eine Grossstadt in China besucht, dem wird eines auffallen: Fahrräder. Sie sind überall.
Nein, nicht die alten Drahtesel, die einst das Bild in vielen chinesischen Städten prägten, sondern nagelneue, moderne, farbenfrohe Fahrräder: orange, gelbe, blaue, grüne, silberne Velos. Sie stehen zu Tausenden an Kreuzungen, in Pärken, auf Trottoirs. Studenten kurven auf ihnen durch die Strassen, alte Frauen, Banker, junge Paare, Kinder, Händler. Alle.
China erlebt seit einigen Monaten einen Bikesharing-Boom. In den Strassen von Peking bis Guangzhou, von Chengdu bis Shanghai rollen Millionen neue Fahrräder. In einzelnen Städten soll, so zumindest die Legende, bereits die Luftqualität besser geworden sein, weil weniger Menschen motorisiert unterwegs sind.
Die Entwicklung, die erst vor gut einem Jahr ihren Anfang genommen hat, ist faszinierend. Doch es soll in diesem Blog ja nicht primär um verkehrs- oder gesellschaftspolitische Themen gehen, sondern um Ökonomie.
Schauen wir uns die Velo-Euphorie in China daher aus der wirtschaftlichen Perspektive an. Denn sie zeigt beispielhaft, wie Boom-and-Bust-Zyklen in einer entfesselten Marktwirtschaft ablaufen. Wie die Ökonomen Hyman Minsky und Charles Kindleberger in den 70er-Jahren gezeigt haben, laufen diese Zyklen meist in fünf Phasen ab.
Wir erzählen die Geschichte der Fahrradwelle in China daher in fünf Teilen.
Erstens: Die Idee
Gestartet wurde der Bikesharing-Boom vor rund zwei Jahren auf dem Campus der Peking University in der Hauptstadt; aus diesem Projekt ist einer der heutigen Marktführer, Ofo, entstanden.
Bikesharing an sich dürfte den meisten Lesern nicht gerade als revolutionäre Idee erscheinen, schliesslich sind in zahlreichen westlichen Metropolen die meist von Grossbanken gesponserten Fahrräder mit ihren Docking-Stationen bekannt.
Doch das chinesische Modell ist anders. Dort kann man das Fahrrad nämlich nehmen, wo man will, und man kann es stehen lassen, wo man will. Es gibt keine vorgeschriebenen Docking-Stationen.
Konkret funktioniert es so: Eine App auf dem Mobiltelefon zeigt an, wo sich das nächste Fahrrad befindet. Meist ist der Blick auf die App allerdings ohnehin nicht nötig, denn die Velos stehen überall. Jedes Fahrrad hat eine Plakette mit einem QR-Code. Dieser wird mit dem Mobiltelefon gescannt, worauf sich das elektronische Schloss des Fahrrads öffnet.
Nun kann die Mieterin damit herumfahren, zu Kosten von umgerechnet rund fünf Rappen pro halbe Stunde. Wird das Gefährt nicht mehr gebraucht, lässt man es einfach irgendwo stehen, scannt den QR-Code, beendet die Miete und lässt das Schloss wieder einschnappen. Genial einfach.
Übrigens: In Zürich sind seit einigen Tagen in der Innenstadt orangefarbene Fahrräder des Singapurer Anbieters oBike zu sehen. Die Welle ist damit wohl auch in der Schweiz angekommen.
Doch zurück zu China, dem Ursprungsland.
Zweitens: Der Boom
Mehrere Gesellschaften haben im Frühjahr 2016 fast gleichzeitig begonnen, das Bikesharing-Konzept in den Städten auszurollen. Zunächst in Peking und Shanghai, dann in zahlreichen weiteren Zentren.
Derartige Geschäftsmodelle funktionieren meist mit zwei wichtigen Treibern: Skaleneffekten und dem sogenannten «Winner takes all»-Effekt.
Sind die Softwareplattform und die App einmal gebaut, verursacht jeder weitere neu gewonnene Kunde keine zusätzlichen Kosten mehr (Jeremy Rifkin hat für diesen Effekt den Begriff «Zero Marginal Cost» geprägt). Der Fahrradanbieter hat also den Anreiz, möglichst rasch möglichst viele Kunden zu gewinnen. Damit ist ein wichtiger zusätzlicher Faktor verbunden: Jeder neue Kunde bezahlt eine einmalige Startgebühr von umgerechnet 15 bis 40 Franken, die der Anbieter nutzen kann, um in seinen Fahrzeugpark zu investieren.
Und wie kriegt ein Anbieter...