Cash.ch: Wir sind in der ersten Phase einer schweren Rezession. Muss man jetzt mehr sparen? Gabor Gaspar: In der Lockdown-Phase haben viele Schweizer Haushalte ja eher gespart, weil es weniger Gelegenheiten gegeben hat, Geld auszugeben. Das ist natürlich auch nicht gut für die Konjunktur. Aber es ist nachvollziehbar, dass der Einzelne zur Ansicht kommt, dass er weniger Geld ausgeben will. Soll man auch bei der Vorsorge sparen? Angenommen, jemand verdient weniger wegen Kurzarbeit: Dann finde ich es legitim, wenn man einmal nicht das Maximum in eine dritte Säule einbezahlt. Aber solche Überlegungen sollen eher den kurzfristigen Horizont betreffen. Von Abstrichen bei langfristigen Sparplänen warnen Sie demnach? Das strukturierte, langfristige Sparen und Vorsorgen muss weitergehen. Aber es ist
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cash.ch: Wir sind in der ersten Phase einer schweren Rezession. Muss man jetzt mehr sparen?
Gabor Gaspar: In der Lockdown-Phase haben viele Schweizer Haushalte ja eher gespart, weil es weniger Gelegenheiten gegeben hat, Geld auszugeben. Das ist natürlich auch nicht gut für die Konjunktur. Aber es ist nachvollziehbar, dass der Einzelne zur Ansicht kommt, dass er weniger Geld ausgeben will.
Soll man auch bei der Vorsorge sparen?
Angenommen, jemand verdient weniger wegen Kurzarbeit: Dann finde ich es legitim, wenn man einmal nicht das Maximum in eine dritte Säule einbezahlt. Aber solche Überlegungen sollen eher den kurzfristigen Horizont betreffen.
Von Abstrichen bei langfristigen Sparplänen warnen Sie demnach?
Das strukturierte, langfristige Sparen und Vorsorgen muss weitergehen. Aber es ist auch wichtig, dass genügend Liquidität vorhanden ist. Manche Leute zahlen das Maximum in die dritte Säule ein, um möglichst viel Steuern zu sparen. Dann muss man aber auch bedenken, dass bei einem zeitweise geringeren Einkommen künftig Steuern tiefer ausfallen.
Leute verlieren ihre Jobs, Geschäfte gehen Konkurs. Andere haben weniger Einkommen wegen der Kurzarbeit. Wie kann man in so einer Situation weiter vorsorgen und sparen?
Was ich interessant finde: Noch sind sich die Leute teilweise der Krise nicht ganz bewusst. Es dominieren noch Fragen aus dem Alltag, wie etwa nach dem Umgang mit Beschränkungen oder dem Home Office. Aber das Problem wird kommen. Den Fall 'Entlassung aus wirtschaftlichen Gründen' und die damit verbunden finanziellen Auswirkungen wird es vermehrt geben. Die Leute müssen sich konkret mit der Frage auseinandersetzen, wie und wo sie ihr Geld ausgeben. Dabei ist ein Budget wichtig.
Also raten Sie jetzt zu einem «Corona-Budget»...
Im Grunde genommen berührt dies ein Thema, das nicht spezifisch wegen der Coronakrise aufgetaucht ist. Das Fehlen eines Budgets kann krasse Folgen haben, und zwar quer durch die Einkommenschichten. Ich habe Leute im fortgeschrittenen Berufsalter beraten, die verdienten netto 250'000 Franken im Jahr – und die hatten 20'000 Franken Erspartes. In so einem Fall diskutiere ich mit den Leuten über einen Konsumverzicht.
Wo sollen die Leute denn anfangen?
Ich höre dann Sätze wie: 'Ein Monat pro Jahr Ferien in die USA, das muss sein.' Dann sprechen wir von einem Urlaub, der 20'000 Franken kostet. Auch viel in Restaurants gehen fällt ins Gewicht. Und dann gibt es noch viele andere Ausgaben, die auch das Budget von Gutverdienern strapazieren. Das eigentliche Problem ist: Leute beachten nicht, wo das Geld hinfliesst. Es ist wie mit der berühmten 100er-Note, die am Morgen im Portemonnaie und am Abend weg ist. Man setzt sich oft gar nicht damit auseinander, für was man alles Geld ausgibt.
Verzicht fällt schwer. Kann man das den Leuten zumuten?
Auch ich bin ein Verfechter der Maxime, dass man - auch - im hier und heute leben soll. 'Reich sterben' kann man anstreben, aber bei genug Erspartem soll man sich auch etwas leisten. Wenn jemand das Geld hat, um sich eine Wohnung neu einzurichten, um sich dort wohl zu fühlen, soll man dies tun. Wichtig ist: Das Budget muss im Rahmen liegen.
Auch jene, die ihren Job und ihr Einkommen behalten, werden die Krise zu spüren bekommen: So möglicherweise in der Pensionskasse, wo die Verwerfungen an den Aktienmärkten die Renditen zerzausen. Es drohen Nullrunden und vielleicht gar Sanierungsbeiträge. Wird dadurch das freiwillige Einzahlen in die PK zum Problem?
Ein Beispiel: Ein Ehepaar um die 50 Jahre, beide mit relativ sicheren Jobs, die beiden Pensionskassen stehen gut da. Da wird der Einkauf in die Pensionskasse interessant. Durch den Steuervorteil beim Einkauf erhält dieses Ehepaar zwei bis drei Prozent Rendite auf seinem Kapital.
Aber das ist jetzt nur ein Einzelbeispiel.
Man muss natürlich immer die Lage der Pensionskasse anschauen: Ob der Altersdurchschnitt günstig ist, wie die Vermögen bewirtschaftet werden. Klar, die Pensionskassen müssen auch langfristig ihr Anlagegeschäft erfolgreich betreiben, sonst haben sie keine Marktberechtigung mehr. Der Einkauf bleibt grundsätzlich attraktiv als Instrument zur Steuerersparnis. Doch auch hier muss gelten: Nicht alles Geld auf einmal einschiessen und die individuelle Situation muss geprüft werden.
Ein Aspekt der Krise ist eine weiter steigende Staatsverschuldung in vielen Ländern und damit verbunden die Aussicht, dass die Zinsen wahrscheinlich noch länger tief bleiben. Soll man in der Vorsorge mehr Risiken nehmen, also zum Beispiel mit Aktien?
Die meisten Leute können weniger gut mit Schwankungen am Aktienmarkt umgehen, als sie selber denken. Wenn das Portfolio dann mal wirklich um 10 Prozent oder mehr im Minus liegt, erschrecken viele. Daher müssen Aktien als Sparform zu einem passen. Jüngere Sparer haben natürlich einen längeren Anlagehorizont. Allerdings ist für mich Sinn oder Unsinn von Aktiensparen letztlich altersunabhängig. Es muss einfach klar sein: Wenn Geld angelegt ist, dann darf man nicht darauf zurückgreifen müssen.
Mit welchen anderen Produkten soll man sparen, welche soll man meiden?
Es gibt schon Produkte, die problematisch sind. Leute fragen mich um Rat, wie sie künftig ihren Beitrag in eine Lebensversicherung einzahlen können – zum Beispiel wie in der jetzigen Lage, wenn plötzlich weniger Geld zur Verfügung steht. Je nach Lebensversicherung kann man nicht einfach die Zahlung stoppen oder unterbrechen. Und: Klassische Lebensversicherungsprodukte mit jährlichen Einzahlungen noch mit 50 abzuschliessen, ist ein reines Verlustgeschäft. Aber generell bin ich der Meinung, dass Vorsorgen letztlich nicht eine Frage der Produkte, sondern des Plans, des Konzepts ist.
Wir reden bei der Vorsorge im Endeffekt über ein langfristiges Thema. Also kann man Corona in diesem Sinne ja auch nur als Episode sehen.
Eines ändert sich ganz sicher nicht: Wir alle müssen in Zukunft noch mehr machen, um verschiedene Veränderungen in der Vorsorge aufzufangen. Die AHV und die zweite Säule sind auch ohne Corona-Effekt unter Druck. Ich will da gar nicht übermässig pessimistisch sein, denn das Schweizer System ist relativ stabil. Aber die Entwicklung geht in Richtung von Senkungen bei AHV und Pensionskassen. Dessen müssen sich die Leute noch mehr bewusst sein und sich somit aktiver um die eigene Vorsorge kümmern.
Gabor Gaspar ist Finanzplaner mit eidg. Fachausweis und Vorsorgeberater und ist Teilhaber bei der Firma ATG Group.