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Brauchen wir einen digitalen Euro?

Summary:
Die EZB macht klar: Sie will einen digitalen Euro. Doch was sind die Kosten einer solchen Digitalwährung? Zu den hohen ökonomischen Kosten für private Haushalte kämen externe Kosten hinzu. Selbst wenn der d-Euro 100-mal energieeffizienter als Bitcoin wäre, wären die ökologischen Kosten gewaltig und mit den erforderlichen Klimazielen unvereinbar. EZB-Standortbestimmung mit Werbebotschaft Bei dem „Report on a digital euro“ (EZB 2020) handelt es sich um die erste Publikation der Europäischen Zentralbank (EZB) ihrer Art. Der Bericht soll eine Standortbestimmung des Eurosystems sein, doch was der Leser erhält, ist eine Werbebotschaft, die auf einen digitalen Euro (d-Euro) einstimmen soll. Die Grundsatzentscheidung ist bereits gefallen: „Wir werden einen digitalen Euro haben“, so

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Karl-Heinz Tödter, Gerhard Ziebarth considers the following as important:

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Die EZB macht klar: Sie will einen digitalen Euro. Doch was sind die Kosten einer solchen Digitalwährung? Zu den hohen ökonomischen Kosten für private Haushalte kämen externe Kosten hinzu. Selbst wenn der d-Euro 100-mal energieeffizienter als Bitcoin wäre, wären die ökologischen Kosten gewaltig und mit den erforderlichen Klimazielen unvereinbar.

EZB-Standortbestimmung mit Werbebotschaft

Bei dem „Report on a digital euro“ (EZB 2020) handelt es sich um die erste Publikation der Europäischen Zentralbank (EZB) ihrer Art. Der Bericht soll eine Standortbestimmung des Eurosystems sein, doch was der Leser erhält, ist eine Werbebotschaft, die auf einen digitalen Euro (d-Euro) einstimmen soll. Die Grundsatzentscheidung ist bereits gefallen: „Wir werden einen digitalen Euro haben“, so EZB-Präsidentin Lagarde (faz.net 2021).

Zu klären seien noch Modalitäten, man sieht allenfalls Herausforderungen. Offenkundige Kosten-, Risiko- und Missbrauchspotentiale werden in dem Bericht kaum behandelt. Dazu gehören Fragen wie der Verlust von bürgerlichen Freiheiten (Anonymität)[ 1 ] und Datenverluste durch Cyberangriffe (Sicherheit)[ 2 ] ebenso wie der irreversible geldpolitische Systemwechsel und tiefgreifende Transformationsprozesse im Banken- und Finanzsystem. “Issuing a digital euro would be relevant for nearly everything the Eurosystem does and it would have pervasive effects on society as a whole.” (EZB 2020, S.3) Genau deswegen muss dem Projekt eine umfassende Kosten-Nutzen-Analyse vorangehen.

In diesem Beitrag werden Fragen diskutiert, die im EZB-Bericht zu kurz gekommen sind: Was wird aus der Nullzinsschranke? Wie hoch werden die ökonomischen Kosten eines d-Euro für die Bürgerinnen und Bürger sein und welchen ökologischen Fußabdruck hätte er?

Digitaler Euro und Nullzinsschranke

Was viele nicht wissen, was aber ein starkes Motiv bei Notenbanken (und auch in der Fintech-Industrie) zur Marginalisierung von Bargeld ist, hängt an einer Asymmetrie: Notenbanken können im Boom die Zinsen theoretisch beliebig erhöhen, sie in einer Krise aber nicht beliebig senken, da Haushalte und Unternehmen bei Negativzinsen auf Bankeinlagen auf Bargeld ausweichen. Das erzeugt eine Zinsuntergrenze, die Nullzinsschranke (zero lower bound).

Dieses Thema wird im EZB-Report nicht behandelt. Um privaten Konsum und Investitionen direkt beeinflussen zu können, „the digital euro should be remunerated at interest rate(s) that the central bank can modify over time” (EZB 2020, S.14). Ein variabel verzinslicher d-Euro für Alle (retail-Variante) wäre ein mächtiges neues Instrument der Geldpolitik, mit dem die EZB die Nullzinsschranke durch die Hintertür aushebeln und tief negative Zinsen durchsetzen könnte.

Ökonomische Kosten eines digitalen Euro

Wirtschaftssubjekte konsumieren heute und sparen für zukünftigen Konsum. Negativzinsen auf das Geldvermögen sind für private Haushalte mit Wohlfahrtsverlusten verbunden, da sie zukünftigen Konsum verteuern. Deshalb findet Inflation effektiv nicht nur bei steigenden Güterpreisen statt, sondern auch bei sinkenden Zinsen. Diese intertemporale Dimension von Kaufkraftverlust wird von konventionellen Preisindizes wie dem HVPI ausgeblendet.[ 3 ]

Negativzinsen auf Vermögensanlagen verursachen Wohlfahrtsverluste durch den Wegfall von Konsumentenrenten. Selbst wenn mit staatlichen Mehrerlösen saldiert wird, verbleibt eine gesellschaftliche Zusatzlast (deadweight loss) als systembedingter Schwund. Wie an anderer Stelle erläutert (Rösl, Seitz & Tödter 2017, Tödter & Ziebarth 2021), verursachen bereits Negativzinsen von -3% auf die M3-Bestände eine ökonomische Zusatzlast von rd. 0,5% des BIP in der EWU. Das sind pro Jahr 60 Mrd. € bzw. 175 € pro Kopf.

Die Nullzinsschranke wirkt wie eine Bürgerversicherung gegen eine übermächtige supranationale Behörde, die bereits jetzt an oder jenseits der Grenze ihres Mandats operiert. Deswegen muss die Politik rechtsverbindlich dafür sorgen, dass der d-Euro ein digitales Spiegelbild von Bargeld wird. „The Eurosystem guarantees free exchange between the digital euro and euro banknotes at face value at all times“. Diese Schutzklausel verhindert die Durchbrechung der Nullzinsschranke. Bargeld würde nur verschwinden, für den Fall, dass es nicht mehr nachgefragt würde.[ 4 ]

Ökologische Kosten eines digitalen Euro

Digitale Kryptogelder wie Bitcoin haben einen enormen Energiehunger. Die bei Transaktionen emittierten Treibhausgase erzeugen negative externe Effekte, die bewertet externe Kosten darstellen.

Die externen Effekte hängen davon ab, ob der d-Euro über ein verteiltes Hauptbuch (distributed ledger) oder ein kontobasiertes (zentrales) System angeboten wird. Konten, die bei einer zentralen Stelle (EZB) geführt werden, weisen nicht den gleichen Grad von Anonymität und Sicherheit auf wie eine Distributed-Ledger-Technik (DLT), bei der es keine zentralen Datenspeicher und Verwaltungsfunktionen gibt. Bei der von Bitcoin verwendeten DLT-Variante, der Blockchain-Technik, werden Transaktionen zu Blöcken gebündelt und in einem extrem rechenaufwändigen Verschlüsselungsprozess (proof of work) an eine immer länger werdende Kette bereits verifizierter Blöcke angehängt.[ 5 ]

Nach einer Umfrage der BIZ (Bear & Wehrli 2021) befassen sich 86% der 65 befragten Notenbanken aktiv mit digitalem Zentralbankgeld. Die schwedische Notenbank, die schon länger daran arbeitet, hat sich offenbar für eine Blockchain-Lösung auf der Corda Plattform entschieden. Auch für die EZB (2020, S.51] scheint Blockchain eine Option zu sein. Die externen, ökologischen Effekte eines d-Euro wären riesig, würden alle Bezahlvorgänge mit der Bitcoin-Blockchain-Technologie erfolgen.

Grundsätzlich lassen sich die externen Kosten (U) eines d-Euro mit der Formel bestimmen. Mit den ersten drei Faktoren (S, C, T) wird der externe Effekt [Tonnen (t) C02] geschätzt, der Faktor λ (0<λ<1) steht für die Energieeffizienz des d-Euro relativ zu Bitcoin und K nimmt die monetäre Bewertung vor.

Derzeit liegt der Energieverbrauch einer Transaktion mit Bitcoin bei S = 275 kWh (Kurier 2020), wobei die Angaben jedoch stark schwanken. Beim gegenwärtigen Strommix in der EU werden zur Erzeugung von 1 kWh Elektrizität 420 g CO2 emittiert: . Nach Angaben von statista werden in der EU jährlich 112 Mrd. Transaktionen im bargeldlosen Zahlungsverkehr abgewickelt, davon dürften 85 Mrd. auf den Euroraum entfallen. Da der Bargeldanteil an allen Transaktionen im Euroraum etwa 75% ist, wären es insgesamt T = 340 Mrd. Transaktionen. Unter der Annahme, dass der d-Euro die Hälfe aller baren und unbaren Zahlungen auf sich zieht, wären das T = 170 Mrd. Transaktionen. Mit Bitcoin-Technik läge der externe Effekt des d-Euro bei S C T = 20 Mrd. t C02. Das übersteigt die Emissionen der gesamten EU bei weitem.

Die EZB wird eine effizientere Lösung finden müssen, wobei höchste Anforderungen an den Grad der Anonymität und den Sicherheitsstandard zu erfüllen sind.  Der Faktor λ ist derzeit eine große Unbekannte. Angenommen, der d-Euro wäre 100-mal so effizient wie Bitcoin (λ=0,01), dann würde der externe Effekt (S C T λ) 200 Mio. t im Jahr betragen. Das sind immer noch 670 kg pro Person bzw. 10% des C02-Fußabdrucks eines EU-Bürgers (Eurostat 2020).

Zur Begrenzung der Klimaerwärmung auf 2 Grad hat das Umweltbundesamt (UBA) empfohlen, externe Kosten von 180 €/t anzusetzen (UBA 2019). Dieser Rechnung liegt eine soziale Diskontrate von 1% zugrunde. Damit wird die Wohlfahrt künftiger Generationen abgewertet, was seit Ramsey (1928) als ethisch fragwürdig gilt. Bei einer Diskontrate von 0% lägen die Kosten bei 640 €/t. Wir gehen von K=250 €/t aus. Damit würde der d-Euro jährlich Umweltkosten von U = (C S T λ)K = 50 Mrd. € verursachen, das sind etwa 165 € im Jahr für jeden EWU-Bürger und jede EWU-Bürgerin. Pro Transaktion wären das 29 Cent. Diese Schätzungen sind sehr unsicher, zeigen aber den großen Nachholbedarf auf, den die EZB hinsichtlich Transparenz und Klarheit hat.

Fazit

Der EZB-Report vermochte nicht überzeugend nachzuweisen, dass ein d-Euro tatsächlich benötigt wird. Das noch verbliebene Vertrauen in die Geldpolitik der EZB wäre irreversibel beschädigt, würde die Einführung eines d-Euro für Alle zu einer Frage für die Bürokratie und Fachleute des Eurosystems heruntergespielt. Das Projekt digitaler Euro bedarf einer detaillierten Kosten-Nutzen-Analyse und nach externer rechtlicher Überprüfung am Ende eines breiten gesellschaftlichen Konsenses in den Mitgliedstaaten.

Ein variabel verzinslicher d-Euro für Alle ohne die o.g. Schutzklausel würde einen enormen Machtzuwachs für die demokratisch nicht kontrollierte EZB bedeuten und sie in die Lage versetzen, die Nullzinsschranke früher oder später durch die Hintertür abzuschaffen. Das wäre mit hohen Wohlfahrtsverlusten für die privaten Haushalte verbunden. Hinzu kämen je nach konkreter Umsetzung dauerhafte, womöglich steigende, externe Umweltkosten.

Der Zahlungsverkehr der Zukunft sollte effizient, bequem, sicher und günstig sein. „Dafür ist aber nicht unbedingt digitales Zentralbankgeld nötig“, betonte Bundesbank-Präsident Weidmann in einer Rede zur Zukunft von Geld und Zahlungsverkehr (Weidmann 2020). Sollte der digitale Euro in den nächsten Jahren dennoch kommen, dann muss er nachprüfbar ökonomisch vorteilhaft und ökologisch nachhaltig konzipiert werden. Durch ihre anhaltend ultra-expansive Geldpolitik mit Negativzinsen und massiven Staatsanleihekäufen haben die Notenbanken weltweit den Boom privater Kryptogelder wie Bitcoin, Ether, Tether, Ripple usw. mit angestoßen und befeuert, den sie nun durch die Einführung von digitalem Zentralbankgeld nach Art des Zauberlehrlings eindämmen möchten. Eine weitaus bessere Strategie wäre, die EZB würde sich auf ihre Unabhängigkeit besinnen und zu einer soliden Geldpolitik zurückkehren.

Boar, C., A. Wehrli (2021): Ready, steady, go? BIS Paper No. 114.

EZB (2020): Report on a digital Euro, October.

Eurostat (2020): Greenhouse gas emission statistics – carbon footprints. https://ec.europa.eu/eurostat/statistics

faz.net (2021): Digitaler Euro spätestens in fünf Jahren, 13.02.

Kurier (2020): Der Energieverbrauch der Kryptowährungen, 28.12. https://kurier.at[ a ]

Ramsey, F.P. (1928): A Mathematical Theory of Saving, Economic Journal, 38(4), 543-59.

Rösl, G., F. Seitz, K.-H. Tödter (2017): Doing away with cash? IMFS WP 112.

Rösl, G., F. Seitz (2021): Cash and Crises, IMFS WP 150.

Tödter, K.-H., G. Ziebarth (2021): Lifetime Cost of Living and Effective Prices, Journal of Economics and Statistics, 241(1), 29-69.

UBA (2019): Gesellschaftliche Kosten von Umweltbelastungen. www.umweltbundesamt.de[ b ]

Weidmann, J. (2020): Die Zukunft von Geld und Zahlungsverkehr. www.bundesbank.de[ c ]


©KOF ETH Zürich, 11. Mär. 2021

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