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Die Finanzierungslücke des bedingungslosen Grundeinkommens ist viel höher als 25 Mia pro Jahr

Summary:
Von Gebhard Kirchgässner Am 5. Juni werden wir über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens abstimmen. Im Verfassungsartikel steht zwar, dass es „ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen“ soll, jedoch nichts über dessen genaue Höhe. Den Initianten schwebt ein Einkommen von 2’500 Fr. für alle Erwachsenen und 625 Fr. für alle Kinder und Jugendlichen vor. Davon geht auch der Bundesrat aus. Dies ergäbe insgesamt einen Betrag von 208 Milliarden Fr. pro Jahr. Geht man nach der Botschaft des Bundesrats und dem Abstimmungsbüchlein, wären zur Finanzierung zusätzlich 25 Milliarden Fr. erforderlich. 55 Milliarden Fr. ergäben sich durch Einsparungen bei den Sozialausgaben, und es „könnten rund 128 Milliarden Fr. gedeckt werden, indem von jedem Erwerbseinkommen 2500 Fr. abgezogen würden, bei Einkommen unter 2500 Fr. entsprechend das ganze Einkommen.“ Um die restlichen 25 Milliarden Fr. zu finanzieren, müsste beispielsweise die Mehrwertsteuer um 8 Prozentpunkte angehoben werden. Leider ist die tatsächliche Finanzierungslücke sehr viel grösser. Zum einen ist es nicht ganz einfach, von jedem Erwerbseinkommen bis zu 2500 Fr. abzuziehen. Man könnte es über eine proportionale Einkommensteuer versuchen.

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Von Gebhard Kirchgässner

Am 5. Juni werden wir über die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens abstimmen. Im Verfassungsartikel steht zwar, dass es „ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben ermöglichen“ soll, jedoch nichts über dessen genaue Höhe. Den Initianten schwebt ein Einkommen von 2’500 Fr. für alle Erwachsenen und 625 Fr. für alle Kinder und Jugendlichen vor. Davon geht auch der Bundesrat aus. Dies ergäbe insgesamt einen Betrag von 208 Milliarden Fr. pro Jahr.

Geht man nach der Botschaft des Bundesrats und dem Abstimmungsbüchlein, wären zur Finanzierung zusätzlich 25 Milliarden Fr. erforderlich. 55 Milliarden Fr. ergäben sich durch Einsparungen bei den Sozialausgaben, und es „könnten rund 128 Milliarden Fr. gedeckt werden, indem von jedem Erwerbseinkommen 2500 Fr. abgezogen würden, bei Einkommen unter 2500 Fr. entsprechend das ganze Einkommen.“ Um die restlichen 25 Milliarden Fr. zu finanzieren, müsste beispielsweise die Mehrwertsteuer um 8 Prozentpunkte angehoben werden.

Leider ist die tatsächliche Finanzierungslücke sehr viel grösser. Zum einen ist es nicht ganz einfach, von jedem Erwerbseinkommen bis zu 2500 Fr. abzuziehen. Man könnte es über eine proportionale Einkommensteuer versuchen. Geht man vereinfachend davon aus, dass das Nettonationaleinkommen als Steuerbasis zur Verfügung stünde, das garantierte Grundeinkommen jedoch steuerfrei bliebe, könnte ein Gesamteinkommen von 505 Milliarden besteuert werden. Dies bedeutete bei einer proportionalen Steuer alleine die Finanzierung des Grundeinkommens ein Grenzsteuersatz von 41 Prozent bedeutete. Dazu kämen selbstverständlich noch die anderen Steuern, schliesslich hat der Staat neben anderem auch für das Rechtswesen, die Erziehung und den Verkehr zu sorgen. Albert Jörimann, ein Verfechter des Grundeinkommens, hat als Alternative für Erwerbs- und Kapitaleinkommen bis 4’000 Fr.pro Monat eine Proportionalsteuer von 67 Prozent und darüber eine Kopfsteuer von 2’500 Fr. vorgeschlagen.

Das ist aber noch nicht alles. Alle diese Berechnungen gehen davon aus, dass sich auf der Einnahmenseite des Staates nichts ändert. Wenn aber die AHV durch das Grundeinkommen ersetzt wird, fallen auch die Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer dafür weg. Sie werden damit finanziell entlastet. Damit die Rechnung aufgeht, muss der entsprechende Betrag vom Staat an anderer Stelle wieder hereingeholt werden. Das Gleiche gilt für die Invaliden- und die Arbeitslosenversicherung, soweit sie durch das Grundeinkommen ersetzt werden. Die dann wegfallenden Beiträge bewegen sich in einer Grössenordnung von 35 Milliarden Fr. Sieht man einmal von den Problemen ab, die 2’500 Fr.pro Monat von denjenigen zurückzuholen, die über eigenes Einkommen verfügen, bleibt immer noch eine Finanzierungslücke von ca. 60 Milliarden Fr., die zu schliessen wäre. Wollte man diese beispielsweise über die Mehrwertsteuer erreichen, benötigte man (selbst unter idealen Bedingungen) nicht nur eine Erhöhung um 8 Prozentpunkte, sondern sogar um etwa 20 Prozentpunkte.

Nicht von den Initianten, sondern auch im Abstimmungsbüchlein wird die durch eine Annahme dieser Initiative entstehende Finanzierungslücke somit massiv unterschätzt.

(Eine ausführliche Version mit den genauen Berechnungen findet sich als Diskussionspapier hier)

Monika Bütler
Professorin für Volkswirtschaft und geschäftsführende Direktorin des Schweizerischen Instituts für Empirische Wirtschaftsforschung (SEW) an der Universität St. Gallen (HSG), Vorstand der Volkswirtschaftlichen Abteilung der HSG. Lizentiat in Mathematik/Physik, mehrjährige Tätigkeiten am Eidgenössischen Institut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos und bei der damaligen Swissair. Zweitstudium und Doktorat in Volkswirtschaftslehre, danach Assistenzprofessur in Tilburg (Niederlande) und Professur an der HEC Lausanne. Forschungsschwerpunkte: Sozialversicherungen, Arbeitsmarkt, politische Ökonomie und Informationsökonomik.

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